Cherubim
~For he will command his angels concerning you to guard you in all your ways. - Psalm 91,11~
Ich ließ meinen Blick über die ockerfarbene Haut seines Rückens streifen. Es schien, als brodele es darunter. Fasziniert beobachtete ich da Spiel seiner Muskeln.
Plötzlich drang ein Geräusch, das klang, als würde etwas zerreißen, an mein Ohr. Undeutlich konnte ich erkennen wie sich die Muskeln an seinen Schulterblättern wölbten und wie die ein oder andere Ader platzte. Ein schmerzverzerrtes Stöhnen drang aus seiner Kehle.
Endlich, und mit einem erlösten Seufzen seinerseits, riss das Ocker seiner Haut.
Aus dem Riss, der ungefähr dort senkrecht verlief, wo das Schulterblatt zur Mitte hin endete, quoll dunkelrotes Blut und als er sich aufstützte, um den Schmerzen standhalten zu können, rann es seine Wirbelsäule hinab. Seine kurze Zeit entspannten Muskeln verhärteten sich wieder, als seine Haut, in einem Riss parallel zum ersten, entlang seines anderen Schulterblattes aufplatzte und auch dort das Blut heraus rann.
Es entfuhr ihm ein Keuchen, als mit einer Wucht sein linker Flügel zur Hälfte aus seinem Schulterblatt hervorbrach und als er schließlich ganz zum Vorschein kam, atmete dessen Besitzer schnell und schwer.
Es schien als habe ihn die Kraft verlassen. Doch schließlich bäumte er sich noch ein letztes Mal auf, sodass auch sein zweiter Flügel den Weg ins Freie fand.
Seine weißen Schwingen, die ungefähr doppelt so groß waren wie er selbst, waren noch feucht und blutbesudelt, genau wie sein Rücken, aber dennoch gaben sie ihm etwas majestätisches. Auch auf den Bund seiner schwarzen Jeans triefte das Blut und der Stoff sog sich voll damit.
Schwer atmend stieß er sich von seiner Stütze ab und wandte sich um. Auf seiner muskulösen Brust glitzerte im fahlen Licht der Schweiß. Er wischte sich die dunklen Haare aus dem Gesicht und seine braunen Augen blitzten trotz der Erschöpfung. Die Federn seiner Flügel glänzten feucht und voller Blut. Ich lächelte.
Er war eben ein wahrer Engel.
Mein Engel.